Die Autorin untersucht die entscheidenden Voraussetzungen und Faktoren für die Reformierung des gesamten Systems der Kolonieverwaltung im Russischen Reich sowie die Veränderungen im Ständestatus der Kolonisten. Entgegen der in der Historiografie gebräuchlichen Erklärung der entscheidenden Gründe für die Reformen von 1871 in der Verwaltung der deutschen Kolonien an der Wolga mit außenpolitischen Umständen (Gründung und schnelles Erstarken des geeinten Deutschen Staates), stellt die Autorin diese Reformen überzeugend als eine notwendige Maßnahme für den Erfolg der beginnenden Modernisierung Russlands dar.

Die Urheber der Reformen stützten sich bei der Begründung deren Notwendigkeit auf die Annahme, dass die Kolonisten gut eingerichtet seien und es nun an der Zeit sei, „die Kolonistenbevölkerung mit der russischen Bauernschaft zu vereinen“, d. h., den einen wie den anderen die gleichen Rechte zum Wirtschaften zu gewähren, um beiden Gruppen zu allgemeinen wirtschaftlichen Erfolgen zu verhelfen. Diese Aufgabe erschien nach der Aufhebung der Leibeigenschaft und der Durchführung der Bodenreform machbar und wurde entsprechend angegangen. Sie war ein weiterer Schritt zur allgemeinen Stärkung der Landwirtschaft in Russland.

Es wird die Vorbereitung für das gesetzgeberische Verfahren am 4. Juli 1871 analysiert. Die Schaffung einer homogenen Landbevölkerung, eines einheitlichen Verwaltungssystems und eines reibungslosen Steuersystems war eine innere Notwendigkeit für einen Staat, der sich auf dem Weg der Modernisierung befand. Es sei angemerkt, dass bei der Vorbereitung der Reform nationale, sprachliche und kulturelle Besonderheiten der Kolonisten berücksichtigt wurden und dass man sich darum bemühte, der wirtschaftlichen Entwicklung der Kolonien im Zuge der Umgestaltungsmaßnahmen keinen Schaden zuzufügen. Bei der Schaffung des Selbstverwaltungssystems der russischen Bauernschaft nutzte man die Erfahrungen, die man bei der Verwaltung der Kolonien gewonnen hatte.