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09. Februar 2018

Für gestern und für morgen

Deutsches Theater hat in Russland eine lange Tradition. In dem Buch „Das Schicksal eines Theaters“ beleuchtet die ehemalige Chefdramaturgin Rose Steinmark die wechselvolle Geschichte der deutschen Bühnen in Russland. Ein Artikel der Moskauer Deutschen Zeitung.

Für den Kulturbetrieb der Deutschen in Russland spielte das Theater stets eine zentrale Rolle. Es war für den inneren Zusammenhalt ebenso wichtig wie für eine lebendige Verbindung nach Deutschland. Mit dem Zweiten Weltkrieg und der Verbannung der Russlanddeutschen dauerte es bis 1980, ehe erneut ein institutionalisiertes deutschsprachiges Ensemble im kasachischen Temirtau die Bühne betrat.

Diese kurze, aber intensive Periode des deutschen Kulturbetriebs in der Sowjetunion steht im Fokus von Rose Steinmarks „Das Schicksal eines Theaters“, das gerade vom Internationalen Verband der deutschen Kultur herausgegeben wurde. In seiner Konzeption sollte das Theater die Tradition früherer Bühnen in der Wolgarepublik fortführen und diese weiterentwickeln. Da die Deutschen mittlerweile ohne eigenes Siedlungsgebiet über Zentralasien und Sibirien verstreut lebten, war das Theater, trotz eigenen Hauses, von Beginn an als Wandertheater gedacht, was einmalig in der Sowjetunion war.

Zeit seines Bestehens sah sich das Theater in Temirtau mit einer Vielzahl von Schwierigkeiten konfrontiert, die gemeistert werden mussten. So war das Publikum keiner anderen Bühne derart divers. Das Programm musste sich sowohl an die städtische Intelligenz und Arbeiterschaft als auch an eine bäuerliche Bevölkerung wenden. Und das deutsche Theater schaffte dieses Spagat.

Der Schlüssel zum Erfolg war zunächst ein relativ leicht zugängliches Repertoire, dass größtenteils aus klassischen und zeitgenösssichen Komödien bestand. Doch das deutsche Theater war nicht nur Verwalter einer Kultur. Mit der Ankunft des Regisseurs Bulat Atabajew begann es, selbst neue Kultur zu schaffen. Der junge Regisseur galt als expressiv und unermüdlich. Und er seztze sich stark für die russlanddeutsche Dramatik ein. Mit „Der eigene Herd“ von Andreas Saks schlug Atabajew einen Bogen zum früheren deutschen Theater in Engels. Das Stück wurde zu einem Erfolg.

Die Geschichte der Russlanddeutschen blieb auch anschließend im Fokus Atabajews und führte zu dem Wunsch, diese nicht nur pointiert, sondern in ihrer Gesamtheit darzustellen. Der Schaffung eines Bühnenepos der Russlanddeutschen nahm sich der Schriftsteller Viktor Heinz an und schrieb für das deutsche Theater das Stück „Auf den Wogen der Jahrhunderte“, das im Dezember 1987 Premiere feierte. Zwei Jahre später folgte ein Fortsetzungsstück mit dem Titel „Menschen und Schicksale“. Den Stellenwert des deutschen Theaters als Identitätsstifter verdeutlichen auch die Aktivitäten außerhalb der Bühne.

Ende der 1980er Jahre wurde das Ensemble zu einem der Sprachrohre der Autonomiebewegung. In diesem Zusammenhang initiierte das Theater Festivals der deutschen Kultur und Kunst, auf denen die Russlanddeutsche nicht nur sich selbst kulturell reflektieren konnten, sondern nach Jahren der Isolation auch wieder die Möglichkeit bekamen, mit anderen deutschsprachigen Künstlern in Kontakt zu kommen.

Mit dem Ende der Sowjetunion und der Unabhängigkeit Kasachstans begann der allmähliche Niedergang des deutschen Theaters. Waren es zunächst die potentiellen Zuschauer, die das Land scharenweise in Richtung Deutschland verließen, folgte ihnen bald fast das gesamte Ensemble.

Wenn Sie mehr über die Geschichte des russlanddeutschen Theaters erfahren möchten, können Sie das Buch beim Internationalen Verband der deutschen Kultur (sklad@martens.ru) bestellen.

Der Artikel erschien erstmalig in der Moskauer Deutschen Zeitung 2/2018. 

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